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Spirituell

Was bedeutet das für Jesuiten?

Jesuitische Spiritualität basiert auf dem Vertrauen der Kirche, dass Gott den Menschen liebt. Fundament ist das Evangelium von Jesus Christus, der sich in die menschlich-zerbrechliche Welt hineinbegeben hat, um sie von innen heraus zu heilen. Es ist das Geheimnis von einem, der durch seine unbedingte Liebe alle Trennung zwischen Mensch und Gott („Sünde“) überwunden hat und sich danach sehnt, dass alle Menschen sich von seiner Liebe ergreifen und verwandeln lassen.

Übung macht den Meister

Was unsere Spiritualität aber besonders auszeichnet ist die Überzeugung, dass dieses Glaubensgeheimnis meditativer („geistlicher“) Einübung bedarf, damit es vom Kopf ins Herz und vom Herz ins Leben fließen kann. Schon vor der Ordensgründung praktizierte Ignatius von Loyola und seine Gefährten Gebetsübungen („Exerzitien“), die es Gott leichter machen sollen, sie in Seinem Sinne zu verwandeln. Die Grundübung besteht darin, wie eine Antenne ganz auf Empfang umzustellen und mit allen Sinnen in die Wahrnehmung zu kommen: Schauen, Lauschen, Riechen, Verspüren, was sich jetzt im Moment gerade im Herzen zeigen will. Im Unterschied zum Nachdenken oder Problemlösen ist das kein aktives Handeln, sondern ein so genanntes kontemplatives Verhalten: Contemplatio = Schauen. Im Unterschied zu einer Antenne bleibt es aber nicht beim reinen Empfangen. Der Beter kann in einen inneren Dialog treten mit dem, der ihn – und das ist das Fundament – in Liebe begleitet. Der hierbei geübte Dialog mit Gott verändert das Leben zum „Besseren“ (= magis). Das ist die Grundüberzeugung des Heiligen Ignatius. Seine „Geistlichen Übungen“ setzen voraus, dass Gott „in allem“ gesucht und gefunden werden kann. Damit ist kein Pantheismus gemeint im Sinne einer Allgegenwart des Göttlichen in jedem Ding. „In allem Gott Finden“ ist vielmehr die Ausrichtung des betenden Menschen, der alles, aber auch wirklich alles, was er erlebt, fühlt und denkt, mit Gott teilen und von ihm her neu verstehen lernen möchte. Stille und Abgeschiedenheit können dabei sehr helfen.

Gelebte Spiritualität

Im Alltag sieht das so aus, dass sich Jesuiten täglich Zeit nehmen zu meditieren. Die verbreitetste Meditation ist das so genannte „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“, mit dem man den Tag beschließen kann. Er besteht in einem schlichten Tagesrückblick, bei dem das Vergangene noch einmal mit wachen inneren Sinnen „verkostet“ wird. Man kann aber auch eine Bibelstelle meditieren oder einfach nur seinen Herzschlag oder Atem wahrnehmen, um in einen sinnlichen Kontakt mit dem zu treten, was von selbst sich zeigen will. Darüber hinaus ist es bei Jesuiten üblich, sich einmal im Jahr für eine ganze Woche vom Alltag zu lösen und die Exerzitien in völliger Abgeschiedenheit zu machen. In der Regel sucht man sich dazu einen „geistlichen Begleiter“, der dabei hilft, die Gebetserfahrungen zu deuten. Er macht auch Übungsvorschläge, die der Übende dann bis zum nächsten Gespräch durchführen kann. So entsteht ein meist sehr individuell gestalteter Übungsweg, der mit einem noch individuelleren inneren Prozess einhergeht. Oft sind Exerzitien mit Erfahrungen innerer Klärung oder auch Reinigung verbunden – in aller Regel mit einer spürbaren Vertiefung der Selbst- und Gottesbeziehung.

Ignatianisches Beten ist immer auch ein Abenteuer, denn die Regungen, die sich im Herzen zeigen, werden nicht selbst „gemacht“, sondern empfangen. Wer ignatianisch betet, lässt sich überraschen von dem, was sich zeigt. Er lässt sich führen. Dazu braucht es eine gute Portion Vertrauen in den Prozess und in den, der leitet. Und damit schließt sich der Kreis: die Spiritualität der Jesuiten basiert auf dem Vertrauen in den liebenden Gott und in geistliche Gefährten, in Beziehung zu denen Gottes Liebe lebendig erfahren wird.

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