Kann eine Kirche im Zentrum einer Großstadt mehr bieten als einen Sonntagsgottesdienst? Ja, sagen die Jesuiten in Hamburg. Wie das geht, beleuchtete der Begegnungstag für Freunde und Interessierte des Jesuitenordens, der am Kleinen Michel in Hamburg stattfand.
„City-Seelsorge in der Hansestadt“ war das übergreifende Thema. Rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung von Pater Martin Stark SJ in die Pfarrei St. Ansgar und St. Bernhard gefolgt. Gestaltet wurde der Tag von fünf Jesuiten, die in zahlreichen Aufgabengebieten tätig sind und in der Hamburger Kommunität leben.
Der Obere der Kommunität, Pater Bernhard Heindl SJ, erläuterte, was Seelsorge der Jesuiten in der Großstadt mit verschiedenen Kulturen, Gruppen und Sprachen ausmacht „Wir stehen für Seelsorge und soziale Arbeit. Hamburg ist ein Brennglas für Veränderung, die man beobachten kann. Auf Veränderung kann man gelassen, mit Mut und Gottvertrauen zugehen und sie annehmen.“
Die Geschichte der Jesuiten in Hamburg umriss Pater Hans-Theodor Mehring SJ anschaulich im großen Bogen von den Anfängen im 18. Jahrhundert bis heute.
Pater Philipp Görtz SJ, Pfarrer am Kleinen Michel, beschrieb die große Bandbreite an Angeboten der City-Seelsorge in Hamburg. Seit 2006 haben die Jesuiten ihre Kräfte in Hamburg am Kleinen Michel gebündelt. Hier entstand eine Plattform in vier Bereichen, um Leute einzuladen. Die Pfarrkirche bietet liturgische Angebote, Glaubensorientierung sowie einen karitativen Dienst im Einsatz für Benachteiligte. Die City-Kirche bietet Seelsorge, ökumenische Ehevorbereitung für konfessionsverbindende Paare und Kultur im „Salon Kleiner Michel“. Sie versteht sich als offener Ort, an dem man verweilen kann. Die Jesuitenkirche lebt eine ignatianische Spiritualität, die anschlussfähig sein soll. Das zeigt sich in der Dynamik der Exerzitien, wie Jesuiten beten, wie sie unterscheiden und entscheiden. Auch das charismatische Gebet hat hier seinen Platz. Im Kleinen Michel treffen sich Gruppen aus verschiedenen Nationalitäten und formieren so eine Internationalen Kirche. Sie alle bringen ihre jeweilige Spiritualität ein.
Der Kleine Michel ist auch ein Ort für Menschen, die suchen. Für sie bieten die Jesuiten unter anderem Glaubenskurse an. Pater Christian Modemann SJ stellte verschiedene Konzepte vor, darunter den sogenannten „Alphakurs“, der mehr und mehr auch im katholischen Kontext zu finden ist.
Herausforderung Rechtspopulismus: Pater Björn Mrosko SJ, Geistlicher Leiter der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) in Hamburg und damit auch an der Ansgar Schule aktiv, wies auf die aktuell große Polarisierung als Herausforderung in unserer Gesellschaft hin. „Manche Flügel in unserer Gesellschaft reden nicht mehr miteinander“. Er formulierte drei Wünsche im Umgang mit Rechtspopulismus: Wir wünschen den Kindern einen Gott, von dem sie sich geliebt fühlen. Wir wünschen den Kindern, dass sie einen Sinn für die eigene Würde und die Würde anderer Menschen entwickeln. Kinder sollen Menschen für Andere werden als dritten Wunsch. Dann nehmen Sie Verantwortung für einander wahr. So bietet die KSJ auch das sehr erfolgreiche Stammtisch-Parolen-Training, in dem geübt wird, wie man bei Stereotypen, Vorurteil und Klischee reagieren kann.
Pater Bernhard Heindl SJ, Spiritual und Priesterseelsorger, stellte den Bereich der Geistlichen Begleitung im Erzbistum Hamburg vor. In dieser Funktion ist er Ansprechpartner für alle spiritualen Dienstgruppen, die rund 300 Menschen umfasst: Priester, Diakone im Hauptberuf, Laienmitarbeiter, Pastoralreferenten, Gemeindereferenten, Priesteramtskandidaten. Es sind Gespräche über das persönliche Glaubens- und Gebetsleben.
City-Seelsorge der Jesuiten ist also eine Art "Gemischtwarenladen" mit vielfältigen Angeboten zum Dialog, um die Beziehung zu Gott lebendiger und die Begegnung mit Menschen achtsamer zu gestalten.
Birgit Bidell