Provinzial zum Ignatiusfest: Versöhnung stiften

Aus zahlreichen Gesprächen, die ich im vergangenen Ignatianischen Jahr geführt habe, nehme ich  vor allem ein Thema mit. Viele von uns Jesuiten spüren und erleben auch in ihrer Arbeit sehr deutlich, dass wir in einer Zeit des Umbruchs, der Veränderung leben. Selbstverständlichkeiten und Sicherheiten, aus denen wir bisher gelebt haben, und die auch unser Lebensgefühl in unserer Berufung als Jesuiten geprägt haben, sind auf einmal in Frage gestellt. Oder brechen ganz weg. Diese Veränderungen betreffen nicht nur die Welt, in der wir leben, sondern auch uns selbst. Als einzelne Jesuiten, aber auch als Ordensgemeinschaft.

Als eine Folge des Umbruchs und der Verunsicherung nehmen wir alle eine zunehmende Polarisierung in unserer Gesellschaft wahr. Das muss nicht überraschen, denn Zeiten der Unsicherheit sind immer auch Zeiten der Polarisierung. Die Polarisierung macht auch vor der Kirche und damit auch vor unserem Orden nicht halt. Manchmal hinterlässt die Tendenz, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden, zwischen der Gruppe, der ich angehöre und die es richtig macht, und den anderen, die es vermeintlich einfach nicht verstanden haben, Spuren bis in unsere Kommunitäten hinein und belasten unser gemeinsames Leben, unsere gemeinsame Sendung.

Was könnte unsere Antwort auf diese Herausforderung sein? Eine Spur, so scheint mir, findet sich in der 36. Generalkongregation. Sie sagt: Wir sind Gefährten in einer Sendung der Versöhnung und Gerechtigkeit. Gefährten zu sein bedeutet, dass wir gemeinsam unterwegs sind und gemeinsam um den Weg und die Zukunft ringen, so wie es schon die ersten Gefährten getan haben. Es bedeutet, dass es jenseits unserer unterschiedlichen Meinungen, die wir haben mögen, etwas gibt, das uns zusammenhält und erst zu Gefährten macht: Unsere Berufung, Christus nachzufolgen und uns immer tiefer mit ihm zu verbinden. Ohne diese persönliche, spirituelle und geistliche Dimension unserer Berufung, jenseits von unserer oft sehr erfolgreichen Arbeit und unserem Gemeinschaftsleben, scheint mir ein Dienst an der Versöhnung kaum möglich. Mich beeindruckt und berührt die Beschreibung des Dekrets der Generalkongregation: Dass es der Dienst an der Versöhnung ist, der unsere Weise des Vorangehens und das Ziel aller Auseinandersetzungen bestimmen kann. Sich in den Dienst der Versöhnung stellen zu lassen und in eine Welt voller Spannungen und Ungerechtigkeit gesandt zu sein, um Versöhnung zu stiften, ist für uns Jesuiten vielleicht (noch) ungewohnt als Bestimmung unserer eigentlichen Berufung. Was heißt das konkret für unsere große Provinz? Für unsere Werke und Arbeiten? Für unsere Kommunitäten und auch für uns selbst?

Auch ich ahne mehr, was es bedeuten könnte, als dass ich klare Antworten hätte. Aber bei allen Fragen, die damit verbunden sind, scheint mir doch, dass in dem Dienst an der Versöhnung eine tiefe Inspiration auf die Herausforderungen der Zeichen der Zeit liegt. Dieser Inspiration nachzugehen, lohnt sich, finde ich. In diesem Sinn wünsche ich ein frohes Ignatiusfest, das uns alle tiefer mit unserer Berufung verbinden möge.

P. Bernhard Bürgler SJ

Provinzial

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